wird ein Jahr werden, in welchem die Besucherzahlen hochschnellen, sagt der stellvertretende Direktor des Kunstmuseums Bonn, Christoph Schreier. Schon deshalb, weil das Bonner Institut verstärkt Klassiker wie Max Ernst, Paul Klee, Ernst Wilhelm Nay oder August Macke und die frühe Moderne in Europa präsentieren will. Nichts gegen die Klassiker, nichts gegen steigende Besucherzahlen, wir wünschen den Bonnern wahrlich viel Glück.
So weit, so gut. Darüber hinaus kündigt das Kunstmuseum für 2003 an, dass Künstler und Komponisten in dem vom der EU finanzierten Projekt Listen für die musikalische Begleitung des Besuchers durch die Ausstellungen sorgen werden. Dafür werden Sendegeräte in den Wänden installiert, und die Besucher bekommen die entsprechenden Kopfhörer. Zu jedem Bild soll das passende Geräusch erzeugt werden. Also Meeresrauschen zu Turner oder gleich La Mer; von Debussy, Preußens Gloria zu Anton von Werner, oder wie, oder was?! Zu Schiele, Klimt und anderen Wiener Sezessionisten selbstverständlich Mahler, zum deutschen Expressionismus nicht nur Ostseegeräusche, zu Otto Muellers nackten Badenden würde doch der eine oder andere Juchzer passen, sondern auch alles, was zwischen Schönberg und Hindemith möglich ist.
Soll das allen Ernstes so gemeint sein? Sind wir alle nicht schon genug belästigt, ja, genotzüchtigt mit der Allgegenwart reproduzierter Musikkonserven, dem ewigen Dudelsound über Fleisch- und Whiskytheken, dem Gesäusel in Spielwaren- und Textilabteilungen, in denen man kaum eine Hose anprobieren kann, ohne sich als Rieselfeld jenes Odels zu fühlen, den manche für Musik halten? Selbst U-Bahnhöfe sind nicht mehr sicher vor Heiterem Erwachen auf dem Lande aus den Lautsprechern, Beethoven kann sich nicht mehr wehren. Gewiss, niemand muss vor den Bildern zum Kopfhörer greifen, es sei doch nur ein zusätzliches Angebot. So billig waren die Ideen zur Synästhesie, zum Zusammenspiel der Wahrnehmungskünste nicht gemeint. Wollen hoffen, dass es auch in Bonn nicht so zu verstehen ist.
Dieser verzweifelte Text stammt aus der Süddeutschen Zeitung vom 23. November 2001