Kategorie: Über Lärm

Lärmschutz auf Chinesisch

So beschreibt Ma Ping Zuo auf heitere Art das chinesische Lärm-Inferno:

Eine der wesentlichen Grundlagen der chinesischen Gesellschaft ist der Lärm. Der Wunsch, immer und überall von Krach umgeben zu sein, hat praktisch alle Bereiche des chinesischen Lebens durchdrungen und wird mit allergrößter Begeisterung von Jung und Alt praktiziert. (…) Große und kleine Lautsprecher vor Restaurants, Geschäften, Kaufhäusern und natürlich in Parks und Grünanlagen tragen basstief wummernd oder fistelig plärrend dazu bei, die essentiell notwendige Geräuschmenge für das Funktionieren öffentlichen und privaten Lebens sicherzustellen.

Mit bitterer (oder heiterer?) Resignation verweist sie auf die Zurückgebliebenheit der Provinz, in der der Fortschritt den Lärmpegel noch nicht hat anschwellen lassen:

Allerdings – die Einkommenslage der Landbevölkerung ist generell noch nicht so beschaffen, dass hier signifikant die Möglichkeit zum vermehrten Automobilkauf gegeben wäre. Diskutieren könnte man natürlich in diesem Zusammenhang, ob nicht an alle, die sich noch kein Auto leisten können, schon mal hilfsweise eine Hupe ausgegeben sollte.

Den ganzen Artikel finden Sie bei Glanz und Elend

da möchte ich nie wieder hin

schon vor 20 Jahren war es mir auf dieser Messe zu laut, als Bill Bruford aufspielte, aber inzwischen?

Beschallungskunst

"Musikmesse" ist ein irreführender Name für das, was auf dem Frankfurter Messegelände derzeit zu erleben ist. Es ist eine Beschallungsmesse. Musik als Inbegriff kulturell bedeutsamer, intellektuell und emotional aufgeladener, wohl geordneter Geräusche ist nicht der eigentliche Gegenstand dieser Messe. Die Musik ist eine Voraussetzung für das kommerzielle Geschehen, sie ist das Material, das hier bearbeitet wird. Das Anliegen der Messe ist die Verbreitung, nicht die Produktion dieses Materials.

Für den, der sich in dieser Umgebung einen Tag lang aufhält, findet eine Rückverwandlung statt: Musik verliert ihre Ordnung und ihre Botschaft. Sie wird, über den Umweg des kontingenten, aufdringlich unausweichlichen Lärms, zu dem sie sich in den Hallen zusammenzieht, wieder zum lästigen Geräusch und verwandelt sich zwischen den Ohren dauerbeschallter Zwangshörer in Kopfschmerz. Und kein Stand auf der Musikmesse teilt Aspirin aus.

berichtet die Frankfurter Rundschau über die Musikmesse Frankfurt.

Culture Jamming

Für Tausende von Generationen waren Regen, Wind und die Stimmen von Tieren und Mitmenschen die einzigen Hintergrundgeräusche. Der lärmende Soundtrack der Welt hingegen erstreckt sich auf alle Lebensbereiche und ist nicht mehr dekodierbar.

Ruhe ist etwas Fremdartiges, obwohl Ruhe vielleicht gerade das ist, was man braucht. Möglicherweise ist Ruhe für einen gesunden Geist dasselbe wie klare Luft, sauberes Wasser und eine chemiefreie Ernährung für einen gesunden Körper. In einer sauberen mentalen Umwelt könnten auch unsere Stimmungsschwankungen nachlassen. Es ist heute nicht mehr leicht, Ruhe herzustellen, und auch nicht immer sinnvoll. Aber es gibt Möglichkeiten, den Abfall in der mentalen Landschaft aufzulesen. Man kann den Fernseher im Wartezimmer des Zahnarztes abdrehen und den lauten Kühlschrank loswerden. Die Stereoanlage ausschalten, den Rechner unter den Tisch stellen.

aus: Kalle Lasn, Culture Jamming, Das Manifest der Antiwerbung

orange-press.com ©: Kalle Lassn + orange press

Kalle Lasn, CULTURE JAMMING
Das Manifest der Antiwerbung

orange press verlag, 2006

ISBN 3-936086-22-2

Das Jahr 2002

wird ein Jahr werden, in welchem die Besucherzahlen hochschnellen, sagt der stellvertretende Direktor des Kunstmuseums Bonn, Christoph Schreier. Schon deshalb, weil das Bonner Institut verstärkt Klassiker wie Max Ernst, Paul Klee, Ernst Wilhelm Nay oder August Macke und die frühe Moderne in Europa präsentieren will. Nichts gegen die Klassiker, nichts gegen steigende Besucherzahlen, wir wünschen den Bonnern wahrlich viel Glück.

So weit, so gut. Darüber hinaus kündigt das Kunstmuseum für 2003 an, dass Künstler und Komponisten in dem vom der EU finanzierten Projekt Listen für die musikalische Begleitung des Besuchers durch die Ausstellungen sorgen werden. Dafür werden Sendegeräte in den Wänden installiert, und die Besucher bekommen die entsprechenden Kopfhörer. Zu jedem Bild soll das passende Geräusch erzeugt werden. Also Meeresrauschen zu Turner oder gleich La Mer; von Debussy, Preußens Gloria zu Anton von Werner, oder wie, oder was?! Zu Schiele, Klimt und anderen Wiener Sezessionisten selbstverständlich Mahler, zum deutschen Expressionismus nicht nur Ostseegeräusche, zu Otto Muellers nackten Badenden würde doch der eine oder andere Juchzer passen, sondern auch alles, was zwischen Schönberg und Hindemith möglich ist.

Soll das allen Ernstes so gemeint sein? Sind wir alle nicht schon genug belästigt, ja, genotzüchtigt mit der Allgegenwart reproduzierter Musikkonserven, dem ewigen Dudelsound über Fleisch- und Whiskytheken, dem Gesäusel in Spielwaren- und Textilabteilungen, in denen man kaum eine Hose anprobieren kann, ohne sich als Rieselfeld jenes Odels zu fühlen, den manche für Musik halten? Selbst U-Bahnhöfe sind nicht mehr sicher vor Heiterem Erwachen auf dem Lande aus den Lautsprechern, Beethoven kann sich nicht mehr wehren. Gewiss, niemand muss vor den Bildern zum Kopfhörer greifen, es sei doch nur ein zusätzliches Angebot. So billig waren die Ideen zur Synästhesie, zum Zusammenspiel der Wahrnehmungskünste nicht gemeint. Wollen hoffen, dass es auch in Bonn nicht so zu verstehen ist.

Dieser verzweifelte Text stammt aus der Süddeutschen Zeitung vom 23. November 2001

Ständiger Lärm beschleunigt die Alterung des Herzens

Zu laute Geräusche können krank machen

Schon der Philosoph Arthur Schopenhauer beklagte sich über den unnötigen Lärm, der niemanden so recht zur Besinnung kommen lasse. Und der Arzt Robert Koch meinte: „Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso unerbittlich bekämpfen müssen wie die Cholera und die Pest.“

Autos, Flugzeuge und Eisenbahnen, Rasenmäher, Preßlufthammer und laute Musik , Lärm ist nahezu überall, und seine Gefahren für die Gesundheit werden oft unterschätzt. Der heutige internationale Tag für die Ruhe (Noise-Awareness-Day) soll auf Probleme durch Lärm und Möglichkeiten der Lärmminderung aufmerksam machen.

In Europa sind 80 Millionen Menschen rund um die Uhr Verkehrslärm ausgesetzt. Rund 80 Prozent der Deutschen fühlen sich durch Verkehrslärm gestört. „Die Nachtruhe ist dabei für die Gesundheit besonders wichtig“, sagt Hartmut Ising vom Umweltbundesamt in Berlin. Verkehrslärm in der Nacht sei daher in seiner Wirkung noch schädlicher als am Tag. „Lärm beschleunigt die Alterung des Herzens“, so Ising. Studien hätten gezeigt, daß Verkehrslärm das Risiko für einen Herzinfarkt um zehn Prozent erhöhe. Und ohne den Lärm am Arbeitsplatz gebe es in Deutschland 16 Prozent weniger Herzinfarkte. Lärm sei damit nach dem Rauchen der zweitgrößte Risikofaktor, erklärt Ising.

Mehr als fünf Millionen Arbeitnehmer in Deutschland sind gesundheitsschädlichen Lärmpegeln ausgesetzt. Hohe Schallpegel können die feinen Sinneshärchen im Ohr irreparabel zerstören. Lärmschwerhörigkeit ist mit einem Anteil von rund 30 Prozent eine der häufigsten Berufskrankheiten. Allein für entsprechende Berufsunfähigkeitsrenten entstehen jährlich Kosten in Höhe von 350 Millionen Mark.

Rund 13 bis 14 Millionen Hörgeschädigte gibt es in Deutschland, erklärt Brigitte Schulte-Fortkamp, Akustikforscherin an der Universität Oldenburg. Und der Berliner Audiologe Hartmut Berndt warnt: „Ein Drittel aller Jugendlichen wird im Alter von 50 Jahren ein Hörgerät benötigen.“ Ursache dafür sei vor allem die laute Musik auf Rockkonzerten und in Diskotheken. Lutger Visse vom Deutschen Arbeitsring für Lärmbekämpfung (DAL) in Düsseldorf fordert die Menschen daher auf, lärmbewußter zu leben und mehr Rücksicht aufeinander zu nehmen.

Allerdings ist die physikalisch meßbare Stärke von Lärm noch kein Maß für das subjektive Gefühl der Belästigung. Bei Tätigkeiten, für die Ruhe notwendig ist, kann schon das Tropfen eines Wasserhahns stören. Lärm, der mit einer sinnvollen Tätigkeit verbunden ist, wird eher akzeptiert als unnötiger Krach. Beim Lärmschutz sei wichtig, daß die Bevölkerung vom Nutzen der Maßnahmen überzeugt sei, sagt Rainer Guski, Professor für Psychologie an der Universität Bochum. Sonst werde Lärmminderung gar nicht wahrgenommen.

In völliger Stille fühle sich der Mensch aber auch nicht wohl, so Guski. „Der Mensch braucht Geräusche, um sich in seiner Umwelt orientieren zu können.“

© DIE WELT, 21.4.1999