Zu laute Geräusche können krank machen
Schon der Philosoph Arthur Schopenhauer beklagte sich über den unnötigen Lärm, der niemanden so recht zur Besinnung kommen lasse. Und der Arzt Robert Koch meinte: „Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso unerbittlich bekämpfen müssen wie die Cholera und die Pest.“
Autos, Flugzeuge und Eisenbahnen, Rasenmäher, Preßlufthammer und laute Musik , Lärm ist nahezu überall, und seine Gefahren für die Gesundheit werden oft unterschätzt. Der heutige internationale Tag für die Ruhe (Noise-Awareness-Day) soll auf Probleme durch Lärm und Möglichkeiten der Lärmminderung aufmerksam machen.
In Europa sind 80 Millionen Menschen rund um die Uhr Verkehrslärm ausgesetzt. Rund 80 Prozent der Deutschen fühlen sich durch Verkehrslärm gestört. „Die Nachtruhe ist dabei für die Gesundheit besonders wichtig“, sagt Hartmut Ising vom Umweltbundesamt in Berlin. Verkehrslärm in der Nacht sei daher in seiner Wirkung noch schädlicher als am Tag. „Lärm beschleunigt die Alterung des Herzens“, so Ising. Studien hätten gezeigt, daß Verkehrslärm das Risiko für einen Herzinfarkt um zehn Prozent erhöhe. Und ohne den Lärm am Arbeitsplatz gebe es in Deutschland 16 Prozent weniger Herzinfarkte. Lärm sei damit nach dem Rauchen der zweitgrößte Risikofaktor, erklärt Ising.
Mehr als fünf Millionen Arbeitnehmer in Deutschland sind gesundheitsschädlichen Lärmpegeln ausgesetzt. Hohe Schallpegel können die feinen Sinneshärchen im Ohr irreparabel zerstören. Lärmschwerhörigkeit ist mit einem Anteil von rund 30 Prozent eine der häufigsten Berufskrankheiten. Allein für entsprechende Berufsunfähigkeitsrenten entstehen jährlich Kosten in Höhe von 350 Millionen Mark.
Rund 13 bis 14 Millionen Hörgeschädigte gibt es in Deutschland, erklärt Brigitte Schulte-Fortkamp, Akustikforscherin an der Universität Oldenburg. Und der Berliner Audiologe Hartmut Berndt warnt: „Ein Drittel aller Jugendlichen wird im Alter von 50 Jahren ein Hörgerät benötigen.“ Ursache dafür sei vor allem die laute Musik auf Rockkonzerten und in Diskotheken. Lutger Visse vom Deutschen Arbeitsring für Lärmbekämpfung (DAL) in Düsseldorf fordert die Menschen daher auf, lärmbewußter zu leben und mehr Rücksicht aufeinander zu nehmen.
Allerdings ist die physikalisch meßbare Stärke von Lärm noch kein Maß für das subjektive Gefühl der Belästigung. Bei Tätigkeiten, für die Ruhe notwendig ist, kann schon das Tropfen eines Wasserhahns stören. Lärm, der mit einer sinnvollen Tätigkeit verbunden ist, wird eher akzeptiert als unnötiger Krach. Beim Lärmschutz sei wichtig, daß die Bevölkerung vom Nutzen der Maßnahmen überzeugt sei, sagt Rainer Guski, Professor für Psychologie an der Universität Bochum. Sonst werde Lärmminderung gar nicht wahrgenommen.
In völliger Stille fühle sich der Mensch aber auch nicht wohl, so Guski. „Der Mensch braucht Geräusche, um sich in seiner Umwelt orientieren zu können.“
© DIE WELT, 21.4.1999